Normalerweise ist dies ja ein Fotoblog, aber es gibt etwas, das mir wirklich auf der Seele brennt. Ich will meiner Tochter später mal nicht erklären müssen, warum ich nichts getan oder gesagt habe, damals im Sommer 2015. Dass ich einfach nur weggesehen, meinen Alltag weitergelebt habe und mir gedacht habe, „die da oben machen das schon“. Nein – das geht einfach nicht. Nicht mit all den Bildern, die tagtäglich in den Nachrichten kommen. Mit den Infos aus meinen Facebook-Flüchtlingsgruppen. Mit den kurzen Gesprächen mit den Menschen, die unfassbar Schreckliches erlebt haben. Mit den Hasskommentaren und den Anschlägen auf Flüchtlinge, die hier eigentlich nur eines wollen – ein bisserl Frieden und ein menschenwürdiges Leben.
„Mama…. was ist denn eigentlich ein Flüchtling?“ Wenn meine Tochter zu den Flüchtlingen Fragen stellt, versuche ich so ehrlich wie möglich zu sein. Erzähle ihr, dass nicht alle Menschen so ein Glück haben, in Frieden und relativ sorgenfrei leben können. Ich versuche ihr immer und immer wieder für wichtige Werte zu vermitteln: Respekt, Nächstenliebe, und Offenheit Neuem gegenüber. Und Gerechtigkeit – und das bedeutet für mich, dass es ein Miteinander geben muss, egal welche Hautfarbe, Religion oder Geschlechtsidentität er hat. Wenn es irgendwo Krieg gibt, kann es jedem passieren, fliehen zu müssen, dies ist auch in Deutschland auch noch gar nicht so lange her. Es gibt auch bei uns keinerlei Garantie für dauerhaften Frieden. Flüchtlingsströme sind kein Phänomen der Neuzeit. Ob wirtschaftlich orientiert (u.a. die Öffnung der DDR) oder weil die Menschen ums nackte Überleben fürchten müssen. Leben zu schützen ist oberstes Gebot – im Grundgesetz wie in der Bibel. Jesus selbst hat gesagt: „Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen“. Das bedeutet beileibe nicht, dass wir naiv allen Tür und Tor öffnen sollen, zeugt aber von einer Grundhaltung voller Menschlichkeit und Anteilnahme. Ich habe auch keine Patentlösung für viele der Probleme, die auf uns zukommen. Nennt mich gerne naiv, aber können wir nicht ein bisserl mehr wieder wie die Kinder sein, für die alles neu und aufregend ist und die noch nicht von Vorurteilen belastet sind? „Das einzige, was nach Farbe getrennt werden sollte, ist die Wäsche“ habe ich auf einem Plakat gelesen, das von vielen Kindern gehalten wird – schwarzen wie weißen. Für mich wahre Worte und lieber bin ich naiv als Menschen verachtend.
Deutschland ist bunt! Refugees Welcome! Unglaublich, was in den letzten Tagen und Wochen passiert – Hunderte von Menschen, die Flüchtlinge an Bahnhöfen willkommen heißen und sich um sie in den Erstaufnahmeeinrichtungen kümmern, die Spendenbereitschaft ist riesig – ebenso wie die Bereitschaft irgendwo mit anzupacken, zu helfen. Ganz unschuldig sind da diverse Prominente sicher nicht. Man kann von Til Schweiger und co halten, was man will – immerhin bewegen sie etwas, stellen was auf die Beine, nutzen ihre Reichweite, um zu helfen. Und wenn das nicht ganz nur aus altruistischen Zwecken passiert, sondern auch ein bisserl Eigenwerbung dabei ist – NA UND? Ich glaube, dass das den Flüchtlingen egal ist, wenn sie ein Dach über dem Kopf und etwas Warmes zum Essen haben.
Momentan lese ich viele abwertende Kommentare darüber, wie „in“ es ist, zu helfen. Und dass die meisten das nur machen, um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen, sich gut zu fühlen, um sagen zu können „Ich war dabei“. Kommen diese Kommentatoren denn auch auf die Idee, dass es viele Menschen gibt, denen das Schicksal anderer Menschen nicht egal ist? Die vielleicht nicht so viel Geld haben und/oder froh sind, wenn sie Zeit spenden können? Viele können nicht verstehen, dass es auch Spaß machen kann, sich zu engagieren und ohne es zu wollen, bekommt man eigentlich immer mehr zurück als man gegeben hat. Klar ist es auch anstrengend, aber wenn man darüber nachdenkt, was die Menschen, die hier bei uns Schutz suchen, alles mitgemacht haben, relativiert sich alles ganz schnell und die vorher so großen eigenen Probleme werden zu wahren Luxusproblemen.
Ich kann mir vorstellen, dass es für die Flüchtlinge nicht ganz einfach ist, all diese „milden Gaben“ anzunehmen. Sie waren ja nicht immer Flüchtlinge und Bittsteller sondern hatten ein eigenständiges Leben und konnten sich selbst versorgen. Jetzt werden sie von herzensguten Spendern mit dem Nötigsten versorgt, aber in jedem Lächeln liegt auch Mitleid. Die Sache mit dem Geben ist ein schwieriger Spagat zwischen Gewissensberuhigung und würdevoller Hilfe. Wenn man einmal gesehen hat, was für kaputte und dreckige Klamotten teilweise gespendet werden, sieht man, dass es sehr schwer für einen Flüchtling ist, in dieser Situation auch seine Würde zu bewahren.
Ich verstehe, dass es viele Menschen gibt, die Angst haben. Sie werden konfrontiert mit einer fremden Kultur, einer fremden Sprache und für viele zum ersten Mal ganz konkret mit Armut und Leid. Aber sie haben auch Angst, dass die Fremden ihnen etwas wegnehmen könnten. Was das genau sein soll, bin ich noch nicht dahintergekommen – Geld, Religion, Arbeitsplätze, Kultur? Wegen der Gelder, die für Flüchtlingshilfe ausgegeben werden, gibt es doch nicht weniger gesetzlich verankerte Sozialleistungen. Wenn dir jemand deinen Glauben einfach so wegnehmen kann, dann kann er nicht wirklich stark sein. Wie viele von denen, die sich Christen nennen und Angst vor der Islamisierung des Abendlandes haben sind denn wirklich bibelfest, gehen regelmäßig in die Kirche und wissen woher eigentlich unsere ganzen kirchlichen Feiertage kommen? Wenn mir ein Flüchtling den Arbeitsplatz wegnähme, würde ich mir echt Gedanken machen und mich an die eigene Nase fassen. Und die „deutsche Kultur“, die es zu beschützen gibt, ist seit langem schon ein buntes Gemisch aus den verschiedensten Kulturen und das kann Deutschland nur gut tun.
Die Bürokratie ist unbarmherzig und die Politik in einem starren Korsett gefangen, Chaos, Überforderung, mangelnde Erfahrung sind an der Tagesordnung. KEINER aber auch wirklich KEINER schreit hier „Hurra, die Flüchtlinge sind da!“. Aber es ist nun mal so und da hilft kein Klagen und Lamentieren. Und sicher auch kein Flüchtlingsheime-Anzünden. Und es hilft auch nicht, nur mit dem Finger auf die vermeintlich Schuldigen zeigen und vom Sofa aus Missstände und Ungerechtigkeiten anzuklagen oder Hassparolen zu verbreiten und die Flüchtlinge anzugreifen. Haben wir nicht immer gesagt, dass so etwas wie im 3. Reich nie wieder passieren darf? Wenn man sich aber so manche Kommentare im Netz ansieht und den Hass, der vielen der (noch) Fremden entgegenschlägt, sieht man, dass zumindest ein Teil von Deutschland schon deutlich auf dem besten Weg in den braunen Sumpf ist. Glücklicherweise ist das bereits vielen bewusst geworden und sie machen deutlich, dass es keine schweigende Mehrheit mehr gibt, die stumpf zuschaut und sich sagt, das wird sich schon irgendwie einrenken. Viele Menschen haben bereits gezeigt, dass Deutschland bunt, mitfühlend und vor allem MENSCHLICH ist.
Wer ums Überleben kämpft, den werden keine Mauern, schärfere Gesetze, drohende Abschiebungen oder Diskussionen über Taschengeldkürzungen davon abhalten. Was gerade hier passiert, zeigt, dass wir möglicherweise an der Schwelle einer neuen großen Völkerwanderung sind. Das werden wir nicht verhindern können, weder mit noch so viel Stacheldraht oder Waffen oder Ablehnung oder Wut. Wir müssen uns der Situation anpassen und Lösungen finden. Wie sagt schon Stephen Hawking „Intelligenz ist die Fähigkeit, sich dem Wandel anzupassen“. Er hat das vor langer Zeit und in einem anderen Zusammenhang gesagt, aber ich finde es passt perfekt auf unsere Zeit.
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Ein paar Infoquellen:
http://wie-kann-ich-helfen.info/
http://www.bachmichels.de/2015/08/10/ihr-wollt-kleider-fuer-die-fluechtlinge-spenden-so-gehts/
http://www.fluechtlingspaten-syrien.de/
http://www.blogger-fuer-fluechtlinge.de/
http://www.blogger-fuer-fluechtlinge.de/spenden/geld-spenden/
Für den Großraum München:
http://www.muenchen-ist-bunt.de/
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